Das Kiefergelenk

Für Patienten mit Kiefergelenkbeschwerden

Über das Kiefergelenk ist der Unterkiefer mit dem Schädel des Menschen beweglich verbunden. Es ist ein äußerst kompliziert aufgebautes Gelenk, welches normalerweise eine dreidimensionale Bewegung ermöglicht. So ist bei der Mundöffnung eine scharnierartige, beim Kauen und Sprechen eine rotierende und sowohl vorwärts als auch seitwärts schiebende Unterkieferbewegung möglich.

Das Kiefergelenk wird durch das Zusammenspiel der Kaumuskeln bewegt. In der Ruheposition bei geschlossenem Mund findet es seine stabile Abstützung durch die Backenzähne. Wenn diese geschlossenen sind, verhindern sie, dass das Gelenk über das normale Maß hinaus zusammengedrückt wird. So besteht also eine enge Verbindung zwischen Kiefergelenk, Kaumuskulatur und Zähnen.

Das bedeutet, wenn im Zusammenspiel dieser drei Faktoren eine Störung auftritt, kann sich diese auch negativ auf die anderen beiden auswirken.

Das kann z.B. der Fall sein, wenn auf einer Seite Backenzähne fehlen, so dass keine stabile Abstützung mehr für das Gelenk gegeben ist. Oder ein Zahnersatz ist nicht mehr funktionstüchtig, so dass beim Schließen der Zahnreihen ein nachteiliger Druck auf das Kiefergelenk ausgeübt wird. Auch Veränderungen auf dem Oberflächenrelief der Zähne, sogenannte Störkontakte, können mit der Zeit zu negativen Begleiterscheinungen am Kiefergelenk führen.

Ein hoher Prozentsatz von Kiefergelenkbeschwerden wird durch nervlich gesteuertes Fehlverhalten der Kaumuskulatur ausgelöst. Bei stressbedingter Anspannung wird die Kaumuskulatur in unnatürlicher Weise aktiv, wodurch das sensible Kiefergelenk über die Maßen strapaziert wird. Dies geschieht in den allermeisten Fällen unbewusst, in Zeiten höherer Anforderungen bei der Arbeit, aber auch bei seelischen Problemen. Der Volksmund spricht treffend von „die Zähne zusammenbeißen“ oder „mit den Zähnen knirschen“. Sehr häufig finden diese Aktivitäten bei Nacht statt, während der Schlafphase, wenn wir die Ereignisse des Tages „verarbeiten“. Am Morgen fühlen wir dann unangenehme Verspannungen im ganzen Kieferbereich, die Mundöffnung kann schmerzen, im Laufe des Tages entstehen Beschwerden beim Kauen, die ins Ohr ausstrahlen, oft auch verbunden mit knackenden oder reibenden Geräuschen.

Die Aufzählung dieser Ursachen zeigt bereits, dass es sich bei Kiefergelenkbeschwerden um komplizierte Prozesse handelt, die auf verschiedene Weise entstanden sein können.

Was kann man tun?

Zunächst wird durch Röntgenaufnahmen abgeklärt, ob irgendwelche krankhaften Veränderungen des Gelenkes vorliegen. (Wie jedes Gelenk kann auch das Kiefergelenk z.B. Arthrose oder Arthritis bekommen). Dann werden die Zähne und die Bewegungen des Unterkiefers untersucht. Ist eine ausreichende Abstützung durch lückenlose Zahnreihen vorhanden, ist der Zahnersatz noch funktionstüchtig? Bestehen störende Frühkontakte beim Zubeißen oder bei der Kieferbewegung, welche durch einschleifende Maßnahmen korrigiert werden müssen. In diesen Fällen kann der Zahnarzt mit den entsprechenden technischen Mitteln Abhilfe schaffen.

Wesentlich schwieriger ist der Fall – und diese Fälle sind leider in der Überzahl – wenn die Ursachen im Bereich der Nerven und Muskeln liegen. Bei nächtlichem Knirschen kann eine schützende Schiene, die einige Zeit getragen wird, Linderung verschaffen. Zusätzliche Mikrowellentherapie, gegebenenfalls auch Injektionen, können unterstützend wirken.

Begleitend dazu sind Stress abbauende Maßnahmen erforderlich, eine sorgfältige Selbstbeobachtung („wann beiße ich die Zähne zusammen?“), evtl. autogenes Training oder weitere Schritte zur Lösung anstehender Probleme.

In der akuten Phase der Beschwerden empfehlen wir unseren Patienten einen zusätzlichen Verhaltenskatalog, der je nach persönlichem Krankheitsbild individuell ergänzt oder verändert wird.

Verhaltensempfehlungen bei Beschwerden am Kiefergelenk

1. Schonen Sie das Kiefergelenk, indem Sie harte Nahrung vermeiden. Während z.B. das Ellbogengelenk weitgehend geschont werden kann (kein Sport, kein Tennis für 4-6 Wochen), muss das erkrankte Kiefergelenk doch weiterhin seinen Dienst beim Essen verrichten. Weiche Kost erleichtert zumindest die Kraftarbeit beim Kauen.

2. Vermeiden Sie maximale Mundöffnungen. Das Kiefergelenk kann nicht, wie z.B. ein überanstrengtes Kniegelenk, durch einen Gipsverband vorübergehend ruhig gestellt werden. Halten Sie aber beim Gähnen oder Lachen die Hand unters Kinn und vermeiden Sie das Abbeißen großer Stücke, so verhindern Sie ein schädliches A u f d e h n e n d e s Gelenkes.

3. Beobachten Sie Ihre Schlaflage. Am entspanntesten sind die Kiefermuskeln

bei Rückenlage, nicht zu flach. Unvorteilhaft ist die seitliche Schlaflage, in der sich der Unterkiefer durch den untergelegten Arm oder ein Kissen über Stunden in einer einseitig verschobenen Haltung befindet. Dadurch gerät das überanstrengte Kiefergelenk einseitig unter Druck.

Dr. Thomas Urban

 

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